Montag, 7. März 2016

Hello Again

Ich glaube jeder von uns kennt es. Diese Menschen, die wir eigentlich überhaupt nicht leiden können. Die uns aber trotzdem immer wieder auf die Nerven gehen und einfach nicht verschwinden. Sie sind in jedem Freundeskreis vertreten. Man übersteht die Treffen, die Gespräche, die endlosen Stunden nur mit Mühe und Not. Vielleicht rastet man auch aus. Je nachdem wie penetrant diese Leute sind. Und wenn es dann endlich geschafft ist, wenn sie endlich wieder gehen, kann man aufatmen und entspannen. Bis sie wieder kommen...irgendwer lädt sie ja immer wieder ein. Und dann fängt der ganze Mist wieder von Vorne an.

So ähnlich kann man es eigentlich auch mit einer Depression beschreiben.

Keiner mag sie, denn sie kostet viel Kraft. Sie hängt zwischen unseren Gefühlen, unseren Gedanken...Sie ist überall doch irgendwie vertreten. Denn so hart es ist, so sehr ich es selbst hasse... War man einmal Depressiv, wird man es immer wieder mal sein. Das gehört dazu. Eines Tages steht sie wieder vor deiner Haustür und tritt die Tür ein. Was auch immer der Auslöser war, wenn sie da ist, ist sie erstmal da. Und sie hat selten vor, genauso einfach wieder zu verschwinden. Eigentlich nie. Damit sie verschwindet, und du deine Tür wieder reparieren und schließen kannst, musst du arbeiten und zahlen. Ohne Ende. Ihr Preis ist unfair und nie leicht zu bezahlen. Aber leider können wir uns das nicht aussuchen.
Und so...so ist das bei mir jetzt. Sie ist wieder da, diese penetrante Kuh. Das 2. Mal. Vor Zwei Jahren hatte ich sie das erste Mal und, Gott steh mir bei, das war unglaublich hart und so tief will ich nie wieder fallen! Mein Körper hat sich selbst aufgegeben, bevor ich das überhaupt getan hatte und das ist glaube ich, eine der härtesten Kämpfe überhaupt. Kämpf mal gegen Krankheiten und  Schmerzen an, die nicht "da" sind, die nur in deinem Kopf existieren. Die dich ausrauben, die dir alle Kraft nehmen und dich dich selbst fragen lassen, ob Atmen tatsächlich ein Reflex ist oder eher ein Willensakt, den du eigentlich gar nicht mehr so richtig aufbringen kannst...oder willst. Ja, so war das damals und ich habe es da raus geschafft. Ich habe mir mich selbst geschnappt, die Zähne zusammengebissen und gekämpft. Mit Erfolg. Aber auch mit der klaren Aussage:
 Einmal Depressiv, immer depressiv!
Denn kommt zwischen den ganzen Chemie-Coktails und den elektrischen Impulsen deiner Synapsen erstmal was durcheinander, bleibt das auch. Hirnschäden sind irreparabel, haha!
Okay sorry, schwarzer Humor beiseite...Ne mal im Ernst Spaß muss sein. Sonst ertrage ich den ganzen Mist einfach nicht. Ich bin auch total abgeschweift...Also:
Letzte Woche war ich im Krankenhaus, weil meine kleine Maus der Meinung war, früher kommen zu wollen. Da geht es einem richtig gut und dann plötzlich merkt man, irgendwas stimmt hier ganz und gar nicht. Also ab ins Krankenhaus und dann sind da plötzlich Wehen und nicht gerade schwache. Mein Körper war schon soweit über seine Grenzen hinaus, das ich keine Schmerzen gemerkt habe. Gott sei dank konnte es verhindert werden und es ist alles wieder "gut". Zumindest mit der Schwangerschaft. Mir wurde ganz offiziel wieder eine Depression diagnostiziert. Das sitzt natürlich, wenn man im Arztbrief (oh ja, ich lese die Dinger immerhin gehts um mich und es wird einem ja selten was gesagt) liest, das die Patienten unter auffälligen Depressionen leidet. Mein Mann hat es mir zwar schon früher gesagt, aber richtig glauben tut man es wohl erst, wenn es einem wildfremde Menschen sagen. Menschen, die ja eigentlich keine Ahnung von dir haben.....
Und jetzt sitze ich hier, habe die letzten Tage Reveue passieren lassen und da ist's mir natürlich aufgefallen. Wenig Appetit, ständige Müdigkeit aber grottenschlechter Schlaf, Leere in mir, plötzliche Stimmungsschwankungen, Überforderung mit mir selbst und eigentlich jeder Situation und ständig auf Konfliktsuche.... Ja all diese kleinen Dinge, die "Normalos" nur ab und an kennen, sind für jemanden mit Depression Alltag. Ob ich über den Ausbruch verwundert bin? Nein. Absolut nicht. Auch wenn ich den Mann für mein Leben kennengelernt habe und ich in Erwartung unserer Tochter stehe, so waren die letzten 8 Monate (und das ist fast ein Jahr verdammt !) einfach der Horror. Ausbildungsbetrieb extrem Ossi-Feindlich (Ja tatsächlich ist dieses Ost und West heute noch genauso anwesend wie vor 25 Jahren und auch für die Generationen danach), Ausbildung verloren durch die Schwangerschaft, als schlaue Person in eine Klasse mit absoluten Hirnamputierten Teenies gesteckt, durch einen Wasserschaden die komplett neu eingekaufte Ausstattung für die Wohnung verloren, 4 Wochen in einem Horrorhotel gelebt, Konto seit September permanent im Minus, Komplikationen mit der Schwangerschaft und dann noch Verrat von der übelsten Sorte. Verrat aus der eigenen Familie, durch die eigene Mutter.... Dieser eine Verrat hat mir den Genickschuss gegeben. Hätte meine Mutter mich nicht so hintergegangen und hätte mit ihren 43 Jahren einmal was geschissen gekriegt, würde ich das hier höchstwahrscheinlich nicht schreiben. Jahrelang habe ich mich von ihr immer wieder belügen lassen und immer wieder auch geglaubt und neue Chancen gegeben. Doch dieses eine Mal kann ich ihr nicht verzeihen. Sie hat .... Nein. Ich kann nicht darüber schreiben. Das ganze ist zu groß, zu schmerzhaft, zu schwer und vorallem noch zu frisch, als das ich das schon in Worte fassen kann. Tut mir leid.
So viele Worte schon.... Also versuche ich mal einen Schluss zu finden.
Fakt eins: Ich bin wieder depressiv.
Fakt zwei: Es ist wie auch beim 1. Mal nicht meine Schuld gewesen.
Fakt drei: Ich habe überhaupt keine Lust darauf, aber wer hat das schon.
Fakt vier: Es tut so verdammt gut, das alles hier mal in Worte zu fassen und ehrlich mit mir selbst zu sein.
Fakt fünf: Ich bin schwanger und das einzige, was mir momentan eine schier unendliche Kraft schenken kann sind mein Verlobter und die Bewegungen meiner Tochter. Diese beiden Menschen können mir als Einzige ein ehrliches Lächeln ins Gesicht zaubern, eins bei dem die Augen auch mitlachen.

Fakt sechs: Ich werde kämpfen. Ich habe es einmal geschafft und das geht auch ein 2. Mal. Ich lebe so verdammt gerne! Kaum vorstellbar, aber ich bin ein unglaublich lebensfroher und humorvoller Mensch. Wenn ich eins gut kann, dann aus dem Herzen lachen und mich für das Leben begeistern. Ich merke es selbst jetzt, in mir steckt eine Wärme die ich teilen möchte. Ich möchte helfen, ich möchte eine tolle Mama für meine Tochter sein und ich möchte meinen Verlobten auf seinem Weg unterstützen und glücklich machen. Keine Ahnung, wie lange das dauern wird, aber das ist mir egal.

Also, willkommen an Bord und los gehts. Es wird ein harter Ritt, die See ist stürmisch und tief aber ich garantiere Ihnen eins: Sie kommen definitiv an und das Reiseziel macht alles Wett!

Und all die Leidensgenossen da draußen, vergesst eines nicht: Das Leben ist schön, egal wie dunkel es manchmal wird! :)

Eure Jules