Montag, 1. Dezember 2014

Das Tor zur Hölle

Es tut mir so leid, das ich solange nicht geschrieben habe...aber ich habe in letzter zeit wieder ziemlich zu kämpfen. Ich hoffe, ihr könnt es mir verzeihen. Ich werde euch heute von meiner Einweisung erzählen

Wow...das wars also. Mehr dachte ich mir nicht. Ich konnte einfach nicht fassen, das es soweit gekommen war. Die zwei Tage bevor ich eingewiesen wurde, waren die Hölle. Als die Klinik am Dienstag anrief, musste mein Vater es mir nicht mal sagen. Ich bin einfach in Tränen ausgebrochen und hab mich auf den Boden fallen lassen. Ich saß da und starrte apathisch vor mich hin. Ich hatte so Angst. Ich konnte das alles einfach nicht. Doch es gab keinen anderen Weg. Keinen anderen, der mir geholfen hätte. Ich wollte einfach nur noch in mein Bett und die Welt verschlafen, vor mich hinvegetieren sowie all die Monate davor. "Das geht so einfach nicht Juliane. Das ist kein Leben!" Diesen Satz hörte ich damals so oft, doch ich verstand ihn zu dem Zeitpunkt noch nicht. Für mich war es das Paradies, nach dem ich mich schon solange sehnte. Mein Ruhepol. Am Mittwoch kauften wir alles, was ich für die nächsten vier Monate brauchen würde. An diesen Tag kann ich mich kaum noch erinnern. Nur einzelne Fetzen kommen durch. Gefühle, Gerüche, kurze Momente. Aber alles ist bedeckt von dem Schmerz, der damals pausenlos in mir herrschte und ich spüre ihn jetzt auch wieder. Das alles hier aufzuschreiben fällt mir so verdammt schwer! Ich muss alles von neuem durchgehen, mich an alles erinnern...an Dinge, die ich weggeschlossen habe. Aber ich hoffe anderen Menschen und auch mir selbst damit zu helfen und Mut zu machen! Kurz bevor wir nach Hause fuhren, war ich nochmal bei meiner besten Freundin. Ich weiß nicht, wie ich diesem Mädchen jemals danken soll. Ich verdanke ihr mein Leben. Ohne sie wäre ich nicht so weit gekommen. Zwar sagen immer alle Psychologen, das ich alleine für mein Glück und Wohlbefinden zuständig bin, aber ohne sie wäre ich nicht in Therapie gegangen, DAS IST FAKT! Als ich bei ihr war, sah ich zum allerersten Mal, wie sehr mich dieses Mädchen eigentlich liebte und brauchte. Ich mein, klar ich wusste das immer. Sonst hätte sie niemals so viel mit mir durchgestanden, aber Gefühle zeigen ist einfach nicht ihre Stärke. war es noch nie. Trotzdem würde ich nie eine andere beste Freundin haben wollen. Das unsere Freundschaft in diesen vier Monaten auf eine harte Probe gestellt werden sollte, ahnten wir noch nicht. In dieser Nacht überlegte ich nochmal, das alles einfach zu beenden. Vor all dem zu fliehen, damit ich meine Ruhe haben konnte. Das konfuse an einem Depressiven der suizidgefährdet ist, ist einfach, dass er an sich nicht sterben will. Der Schmerz soll einfach nur aufhören. Das ist total verrückt. Und so ging es mir auch. Ich habe mit dem Gedanken gespielt und es mir vorgestellt, aber dann fiel mir ein wie dumm das ist. Das ich leben will.  Geschlafen habe ich in dieser Nacht jedenfalls nicht. Stattdessen habe ich alle Bilder die ich finden konnte, zusammengesucht und in meinen Koffer gepackt. Ich habe bis heute einen Tick in solchen Sachen. Ich brauche Momente um mich. Momente, die zeigen das ich so viele schöne Sachen erlebt habe, falls es mir mal wieder schlecht gehen sollte. Und das es Menschen gibt, denen ich etwas bedeute. Die Fahrt zur Klinik war unerträglich. Sie verging einfach viel zu schnell. Als wir in den Ort rein fuhren dachte ich als erstes: "Oh mein Gott, willkommen in Shutter Island." Im ernst, es sieht dort echt so aus. Humor ist manchmal so hilfreich, auch wenn der Zeitpunkt total bescheuert ist. Meinen Sarkasmus habe ich nie verloren. Meine Station war allerdings neu saniert und teilweise neu gebaut worden, worüber ich echt froh war. Man hätte dort Horrorfilme drehen können ohne mist. Als ich durch die Tür ging, musste ich an die Inschrift über dem Tor zur Hölle denken: Lasciate ogni speranza, voi ch'entrate --> Lasst alle Hoffnung fahren, die ihr eintretet. Das mir dieser Ort zu meinem neuen, starken Ich verhelfen sollte, wollte ich damals nicht so ganz wahr haben. Aber es war ein typisches Krankenhaus und nichts hasse ich mehr. Seit meiner zeit in der Klinik habe ich mittlerweile panische Angst vor Krankenhäusern. Es war ein Albtraum, aus dem ich 16 Wochen lang nicht aufwachen würde. Die Schwestern sahen mich an wie ein scheues, verwirrtes und verletztes Tier.  Ich hätte kotzen können. Ich wollte hier nicht alleine zurückbleiben, aber mein Vater brachte meinen Koffer aufs Zimmer und verabschiedete sich dann. Ich zwang mich, nicht zu weinen. Geschafft hab ichs allerdings nicht. Ich fühlte mich in diesem Moment verlassener denn je. Lange Zeit hasste ich meine Eltern für all das. Es war ihr Schuld. Nur wegen ihnen saß ich in meiner ganz persönlichen Hölle. Dass das nie ihre Absicht war, verstand ich erst viel später.

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